11 Jan. Ich hab auch keine Lösung, aber ich bewundere das Problem.
Ich bin ein Problemlöser. Sobald ich eine Herausforderung oder ein Problem sehe, dann fängt mein Gehirn automatisch an Lösungen zu suchen. Nicht dass ich immer welche finde. Manchmal mache ich das Problem auch noch größer. Aber von der Grundanlage her, möchte ich Probleme lösen.
Mir fällt es auch leicht Systeme zu durchschauen und sozusagen dahinterzuschauen und so oft auch erst mal den Kern des Problems sichtbar zu machen. Das hilft mir sehr im Coaching. Eine Außensicht ist immer hilfreich und ich kann dabei helfen den tatsächlichen Kern des Problems zu erkennen, damit an einer Lösung gearbeitet werden kann.
Das heißt nicht dass ich alles verstehen kann. Oder alles lösen kann. Aber meist gelingt es mir einen Weg zu sehen und den dann auch zu gehen.
Eine der wichtigsten Lektionen, die ich in den letzten Jahren gelernt habe, ist aber dass es nicht immer eine Lösung gibt. Oder dass es vielleicht gar nicht um die Lösung geht.
Ist ja nicht so schlimm!
Wenn eines meiner Kinder hingefallen ist und weinend zu mir gekommen ist, dann war ich oft überfordert. Ich konnte nichts tun. Irgendwann mal in meiner eigenen Kindheit oder später bei anderen hab ich gelernt, dass es am besten ist, wenn man dem nicht zu viel Beachtung gibt. Dann merken die Kinder, dass es nichts bringt, wenn man wegen jedem kleinen Kratzer losheult. Bei vielen Kindern funktioniert das tatsächlich. Das ist auch das Erste was mir immer in den Sinn gekommen ist: „Komm her. Ist ja nicht schlimm. Schau, da ist gar nichts. Ist schon wieder gut.“
Die Strategie mag funktionieren aber nach der Scheidung von meinem Mann, hab ich gemerkt, dass die Kinder stark sein wollten. Es ist ja alles gut. Ist nicht schlimm. Es war aber schlimm. Für sie in diesem Moment in ihrer ganz persönlichen Erlebniswelt, war es sogar das Schlimmste was passieren konnte.
Manuel hat sich dann einmal im Kindergarten verletzt. Man hat mich angerufen und mir am Telefon gesagt: „Manuel hat sich verletzt. Es ist nichts Schlimmes aber er hört nicht auf zu weinen. Vielleicht sollten Sie doch mit ihm ins Krankenhaus fahren.“ Ich hab ihn abgeholt. In dem Moment wo er mich gesehen hat, war es gleich mal besser. Da wusste ich dass es wahrscheinlich tatsächlich nichts Schlimmes ist. Im Sinne von Arm gebrochen oder so. Er hat aber auch bei mir nicht zu weinen aufgehört und wir sind ins Krankenhaus gefahren. Ich hab ihn abgelenkt und ihm Sachen erzählt und er hat tatsächlich aufgehört zu weinen. Im Krankenhaus ging es dann wieder los. Sozusagen unerträgliche Schmerzen. Um es kurz zu machen. Er wurde geröngt, es war nichts zu sehen, der Arzt wollte trotzdem gipsen, wir haben uns auf einen dicken Fatschen-Einband geeinigt.
Aber irgendwann im Laufe dieser Tortur wurde mir klar, dass er sogar ganz furchtbar verletzt war. Die Scheidung, dieses Gefühl, dass der Papa nicht mehr da ist, dass sich die Familie auflöst, und alles was damit verbunden war, hatten ihn ganz schlimm verletzt in seiner Seele. Und dieser kleine Unfall war seine Chance zu weinen ohne schwach zu wirken. Zu leiden und getröstet zu werden. Einfach mal richtig loslassen zu können. Alles was er brauchte, war dass jemand sein Leid sieht. Dass es sichtbar wird, wie verletzt er war.
Einfach mal zuhören
Immer wieder habe ich es mir später in Erinnerung gerufen und während meiner Coaching-Ausbildung auch noch mal in aller Härte gelernt. Wenn jemand zu dir kommt, weil es ihm oder ihr nicht gut geht. Oder weil er ein Problem hat, dann hör einfach mal zu. Schau einfach hin. Nimm die ganze Dimension des Problems war. Bewundert sozusagen gemeinsam das Problem, ohne eine Lösung zu finden.
Oder wie einer meiner Mitarbeiter einmal zu mir sagte: „Deine Lösungsvorschläge brauch ich nicht, ich wollte keine Lösung, ich wollte dir nur klarmachen wo das Problem liegt.“ Auch etwas was sich fest in mir verankert hat. Ein Reminder, achtsam mit dem Problem umzugehen, ohne schon in die Lösung zu gehen. Oft ist eine Lösung zu finden erst dann möglich wenn das Problem in allen Facetten gesehen wurde. Und oft braucht es eigentlich gar keine Lösung.
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